Werkstatt Recherche mit Journalistik-StudentInnen 2014
"Gibt´s was zu vertuschen?"
Rüstungsdeals stehen derzeit im öffentlichen Fokus – die Vernetzungen der Rüstungsindustrie mit der Politik sind vielfältig.
Von Ilona Schmuttermaier (© September 2014)
Mitte Juni wurde bekannt, dass Rheinmetall vor einem Milliardengeschäft mit der algerischen Regierung von Präsident Abdelaziz Bouteflika steht: 980 Radpanzer des Typs „Fuchs 2“ sollen in und für Algerien produziert werden. Ob ein entsprechender Vertrag bereits unterzeichnet wurde, hält Rheinmetall noch geheim.
Dieses Geschäft fällt unter Dirk Niebels Amtszeit. Der ehemalige Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – und damit auch Mitglied im Bundessicherheitsrat, wo solche Export-Entscheidungen fallen – wird ab 2015 Berater für den Rüstungskonzern Rheinmetall. Öffentlich debattiert wird zur Zeit, ob Niebel womöglich an Entscheidungen über Rüstungsexporte der Firma Rheinmetall beteiligt war. Bei welchen Deals er mit entschied, gibt die Bundesregierung aber nicht preis. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, welche Rüstungsdeals Niebel als Minister genehmigt hat, bevor er in die Rüstungsindustrie wechselt“, sagt Volker Beck, Bundestagsabgeordneter der Grünen. „Die Geheimhalterei erweckt den Verdacht, es gäbe was zu vertuschen.“ Beck stellte diese Frage vor einigen Wochen Helge Braun, Staatsminister der Bundeskanzlerin. Braun antwortete, dass gerade in Sicherheitsfragen die "existentielle Vertraulichkeit" des Austausches unter Regierungsmitgliedern nicht mehr gewährleistet wäre. Vor diesem Hintergrund überwiege insoweit "das Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung gegenüber dem Informationsinteresse des Parlaments“.
Doch Dirk Niebel ist kein Einzelfall. Pofalla, von Klaeden, Schröder und Stoiber sind nur einige Politiker, die nach ihrer Amtszeit in die Wirtschaft wechselten. Es ist nahezu unmöglich, nachzuweisen, ob diese Politiker während ihrer Amtszeiten als Lobbyisten tätig waren. Sie sind aber verpflichtet, ihre Nebentätigkeiten öffentlich anzugeben.
Im Verteidigungsausschuss finden sich vor allem bei der CDU/CSU Abgeordnete die nebenbei Mitglieder rüstungsnaher Vereine sind. Reinhard Brandl beispielsweise ist Vizepräsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, die als Lobbyorganisation bekannt ist. Henning Otte ist stellvertretender Präsident der Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) und Mitglied im Präsidium des Förderkreises Deutsches Heer e.V. Auch diese Vereine sind als Lobbyorganisationen bekannt.
Welche Rolle die Politik für solche Vereine spielt, wird am Beispiel der DWT deutlich: Im Jahresbericht 2011 schreibt der Arbeitskreis Mittelstand (AKM) dieser Gesellschaft, dass im Juni 2011 ein Treffen zwischen einer Delegation des AKM und dem Bundestagsabgeordneten Garrelt Duin (SPD) sowie dem DWT-Vorstand Michael Groschek stattfand. Dabei war unter anderem das Thema „Türöffnerfunktion der Politik für Unternehmen im Export“ aufgegriffen worden.
Florian Hahns Liste ist mit am längsten: Der CDU-Mann ist neben seinem Amt im Verteidigungsausschuss Mitglied des Aufsichtsrats der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH, die unter anderem die Streitkräfte in ihren Beschaffungsvorhaben unterstützt. Und er ist Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft für Wehrtechnik und Vizepräsident der Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe e.V.
Wie intensiv der Kontakt zwischen den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses und den Rüstungskonzernen ist, lässt sich nicht beurteilen. Ein Unions-Mitglied dieses Ausschusses, das namentlich nicht genannt werden will, sagt nur soviel: "Der Kontakt zwischen Rüstungsfirma und Verteidigungsausschuss ist wichtig. Die Firmen sind Lieferanten der Bundeswehr. Und die Bundeswehr gibt jedes Jahr etwa fünf Milliarden Euro für die Beschaffung aus." Wenn man parlamentarische Kontrolle ausüben wollte, könne man sich nicht von Kontakten zur Industrie abkoppeln, sondern man sei Teil davon, was "richtig und wichtig" sei.
Jan van Aken ist strikter Gegner von Rüstungsexporten. Er arbeitete von 2004 bis 2006 als Waffeninspekteur für die Vereinten Nationen. Der Abgeordnete der Linksfraktion stellt regelmäßig kleine Anfragen zum Thema der vernetzten Rüstungsindustrie im Bundestag.
Im vergangenen April wollten er und seine Fraktionskollegen wissen, an welchen Veranstaltungen der verschiedenen Ministerien Vertreter der Rüstungsindustrie teilnahmen. In der Antwort der Bundesregierung tauchen sowohl Algerien als auch Rheinmetall auf. Abdelaziz Bouteflika, Präsident Algeriens, aß im Dezember 2010 mit der Bundeskanzlerin zu Mittag. Klaus Eberhardt, Vorsitzender des Vorstands der Rheinmetall AG, saß mit am Tisch.
Anfang März des Jahres 2011 wurde die erste deutsch-algerische gemischte Wirtschaftskommission eingerichtet. Dafür fand ein Treffen in Berlin statt, bei dem neben Vertretern der MTU Aero Engines AG und des Unternehmens ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) auch zwei Vertreter von Rheinmetall anwesend waren. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie berichtete hinterher von „über 60 Vertretern aus Wirtschaft und Verbänden,“ deren thematische Schwerpunkte der Zusammenarbeit „in den Bereichen Erneuerbare Energien, Aus- und Weiterbildung, Transport und Infrastruktur, Investitionen und Gesundheitswirtschaft“ lagen.
Tourismus Minister Benmeradi soll bei dem Treffen angesichts der anstehenden großen Investitionen Algeriens die Chancen für die deutsche Wirtschaft hervorgehoben haben. Rüstungsgeschäfte wurden bei dieser Berichterstattung nicht erwähnt. Tatsächlich wurden 2012 deutsche Fregatten an Algerien geliefert.
Zuvor spendete Rheinmetall laut den Geschäftsberichten der Parteien im Jahr 2011 16.000 Euro an die CDU, 12.000 Euro an die SPD und im Jahr 2012 jeweils 17.000 Euro an CDU und FDP. Die Rüstungsunternehmen investieren häufig in die großen Parteien. Hängen die Spenden mit der „Türöffnerfunktion“ der Politik zusammen?
Auf die Frage, ob es legitim sei, wenn die Bundesregierung "Türöffner" spiele, antwortet jener Bundestagsabgeordnete der CDU nur ausweichend: „Im Bundessicherheitsrat wird über so ein Vorgehen beraten, da gibt es dann Analysen über die Sicherheitslage, es wird abgewogen und dann wird entschieden.“
In der Leitlinie für die Genehmigung von Rüstungsexporten steht aber auch: „Die Beachtung der Menschenrechte ist für jede Exportentscheidung von hervorgehobener Bedeutung.“ So würden Rüstungsexporte grundsätzlich nicht genehmigt werden, wenn „hinreichender Verdacht“ bestünde, dass das betreffende Rüstungsgut zur internen Repression oder zur sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden würde.
Die Sicherheitslage in Algerien ist jedoch fragwürdig. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty berichtet über die Menschenrechtssituation im Algerien: Frauen würden in der Ehe, bei der Scheidung, beim Sorgerecht für Kinder und im Erbrecht "benachteiligt"; Abschiebungen geschehen "ohne Beachtung geregelter Verfahren, die Flüchtlinge davor schützen würden, in Länder zurückzukehren, in denen sie politisch verfolgt werden.“ Außerdem seien in den vergangenen Jahren Christen juristisch dafür verfolgt worden, religiöse Riten ohne Genehmigung praktiziert zu haben und das algerische Recht sehe die Todesstrafe für eine große Zahl von Delikten vor.
Doch Rüstungsexporte einzuschränken, wie es sich Bundesminister für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel derzeit wünscht, findet die Union riskant. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sieht die Gefahr, dass deutsche Rüstungsunternehmen vom Markt verschwinden oder ins Ausland abwandern könnten. Die Bundeswehr könnte bei der Rüstungsbeschaffung von anderen Staaten abhängig werden“, sagt er. Was man nicht selbst produziere, müsse man importieren. Deshalb sieht Seehofer "die Koalition bei diesem Thema vor einer erheblichen Herausforderung.“
über die Autorin:
Ilona Schmuttermaier, geboren 1992, kam über ein Praktikum in der Lokalredaktion des Pfaffenhofer Kuriers, bei dem sie heute noch freie Mitarbeiterin ist, zum Journalismus. Seit Oktober 2013 studiert sie Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt.
kontakt: i.schmuttermaier (att) web.de
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