Werkstatt Recherche mit Journalistik-StudentInnen 2014
Zwei in einem Boot
für eine "coole Story"
Bei Pressereisen prallen die Interessen von Reiseveranstaltern und Journalisten aufeinander. Die einen wollen Werbung, die anderen unabhängig berichten. Doch kann guter Journalismus so funktionieren?
Von Hannah Heinzinger (© September 2014)
Eine Gruppe Journalisten in einem Boot auf dem Meer. Das Boot ist eine Yacht vor der Küste Sardiniens. Der Himmel färbt sich rötlich, der Wein wird kaltgestellt. Weiße Leinenhemden flattern im Wind, die Wellen schwappen am Bug vorbei. Szenen aus einer Anzeige für Pressereisen, für die Max Barbera verantwortlich ist. Er organisiert solche Trips für „Master Yachting“ und lädt Journalisten regelmäßig für ein paar Tage oder Wochen ein. Segeln oder Yachting im Mittelmeer – zahlen müssen sie nur den Flug. Dafür erwartet Max Barbera eine „coole Story“.
Screenshot aus http://presse.master-yachting.de
Die Spielregeln des Reisejournalismus sind problematisch. Redaktionen und Journalisten fehlt das Geld, um Reisen und Flüge zu finanzieren, trotzdem wollen sie berichten. Die Industrie hat ein Interesse an der Öffentlichkeit und braucht dazu die Presse. Der Kompromiss: der Veranstalter zahlt, damit der Journalist berichten kann. Um die Transparenz zu wahren, empfiehlt der Verband deutscher Journalisten (DJV) einen Hinweis unter jedem Text, dass die Reise von einem Veranstalter bezahlt wurde.
Daran hält sich auch Sönke Krüger, Ressortleiter Motor und Reisen der „Welt“. Gleichzeitig wird unter den Artikeln im Reiseteil auf die Transparenz-Standarts des Axel-Springer-Verlages verwiesen. In diesen ist zu lesen: „Der Journalist trägt dafür Sorge, dass alle Kosten (…) grundsätzlich durch die Redaktion übernommen werden.“Krüger gibt zu, dass das utopisch ist: „Wir machen das bei kleineren Reisegeschichten, ansonsten ist dafür der Etat nicht da.“
Mit ähnlichen Problemen hat auch die freie Journalistin Mona Contzen zu kämpfen: „Bei Pressereisen hängt es davon ab, wozu man überhaupt eingeladen wird. Als freier Journalist muss man sehen, was man kriegen kann.“ Aber auch nach einer solchen Reise wird es nicht einfacher für Journalisten. Was, wenn es nur Negatives zu berichten gibt? „Im Idealfall schreibt der Journalist dann gar nichts“, sagt Ina Bohse, PR-Beraterin für Neckermann und Thomas Cook. Falls doch, „sind das Leute, die merkt man sich und lädt sie bei der nächsten Reise nicht mehr ein.“ Mona Contzen versucht das Problem zu umgehen, indem sie dann nicht über die schmutzigen Strände, sondern beispielsweise über kulturelle Besonderheiten eines Landes schreibt. „Manche Sachen kann man dem Leser aber nicht vorenthalten und muss dann in den sauren Apfel beißen und darüber schreiben“, sagt sie.
Jürgen Drensek, Vorsitzender des Ethikausschusses des Vereins deutscher Reisejournalisten (VDRJ), sieht das nicht so eng: „Tourismuskritik ist kein Bestandteil des Reiseteils. Kritische Reportagen stehen dann auf Seite drei.“ Auch Max Barbera, Verantwortlicher für die Pressereisen von „Master Yachting“ sieht kritische Berichte ungern: „Wenn ein Journalist negativ berichtet, wird der Artikel in den meisten Fällen nicht gedruckt. Ansonsten besteht auch die Möglichkeit, unseren Namen aus dem Artikel rausnehmen zu lassen bevor er gedruckt wird.“ Manche Journalisten oder Zeitungen schicken in solchen Fällen Vorabexemplare, die von „Master Yachting“ dann gegengelesen werden. Mit Journalisten, die an Reisen grundsätzlich negativ herangehen, habe Barbera aber in der Regeln nichts zu tun.
Der VDJ verweist Reisejournalisten zusätzlich auf den Pressekodex des Presserates und die darin verankerten Regeln für guten Journalismus. Doch unter dem Abschnitt über Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt finden sich Passagen, die für Reisejournalisten unangenehm werden könnten. So fällt laut dem Pressekodex Berichterstattung unter Schleichwerbung, die „von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.“ Außerdem müssen „bezahlte Veröffentlichungen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind.“
Aus dem Pressekodex des Deutschen Presserats
Ernst Fricke, Rechtsanwalt und Professor für Medienrecht, sieht hier Konfliktpotential: „Fremdfinanzierte Pressereisen sind für jeden Journalisten eine schwierige Gradwanderung, die leicht zum Absturz führen kann.“ Bei einem Verstoß gegen den Pressekodex droht einer Zeitung im schlimmsten Fall eine Rüge durch den Presserat, die von der Redaktion veröffentlicht werden muss. Allerdings reagiert der Presserat nur auf Beschwerde der Leser
hin mit Sanktionen – und wo kein Kläger da kein Richter.
Auch der VDRJ hat die Kenntlichmachung von Unterstützung seitens der Tourismusbranche in seinem Kodex festgeschrieben. „Der Leser sieht dann, von wem die Reise gezahlt wurde, mehr muss er auch nicht wissen“, sagt Jürgen Drensek vom Ethik-Ausschuss des VDRJ. „Ob er die Geschichte dann noch für glaubwürdig hält, hängt vom Image des Mediums ab.“ Journalisten, die Mitglied im VDRJ sind, können bei schwerem Verstoß gegen den Kodex sogar aus dem Verein ausgeschlossen werden. Von den 145 Mitgliedern sind jedoch nur 59 JournalistInnen. Mehr als die Hälfte der Mitglieder des VDRJ sind Vertreter aus der PR, also Mitarbeiter und Pressesprecher von Reiseunternehmen.
Auch der Reiseveranstalter Studiosus ist, wie er in seinem Nachhaltigkeitsbericht von 2012 betont, beim VDRJ „stark eingebunden und engagiert“. „Das ist nur eine allgemeine Formulierung“, sagt Jürgen Drensek vom VDRJ dazu. „Sie unterstützen uns insofern, dass sie bei uns Mitglied sind.“ Was Studiosus damit meint, wenn sie „ausgewählte Redaktionen“ bei der Recherche unterstützen, weiß Drensek ebenfalls zu beantworten: „Der Pressesprecher entscheidet, welcher Journalist die Qualifikation hat, über ein Thema zu berichten und wird demnach eingeladen.“ Ob Pressesprecher die gleichen Anforderungen an die Qualität eines Artikels stellen, wie der Journalist selbst oder der Leser, ist jedoch fraglich. Für eine Stellungnahme stand von Studiosus bis Redaktionsschluss niemand zur Verfügung.
Mittlerweile werden zu manchen Artikeln zusätzlich Infokästen mit einer Auswahl von Reiseveranstaltern abgedruckt, um den Vorwurf der Werbung abzuschwächen. So ganz durchgesetzt hat sich das jedoch nicht. „In unserer Branche ist das nicht der Fall. Wir stehen da im Kasten exklusiv drin“, sagt Max Barbera. Auch PR-Beraterin Ina Bohse meint: „Mehrere Veranstalter im Infokasten sind natürlich nicht so schön. Das kommt aber nur in den seltensten Fällen vor.“ Nicht nur die Bezahlung von Pressereisen ist für den Reisejournalismus ein Problem. Meist wird neben dem Hotel auch ein Rahmenprogramm von den Pressesprechern vorbereitet. Sie entscheiden, wo gegessen, besichtigt und spaziert wird. „Objektive Berichterstattung ist bei Pressereisen schwierig“, gibt Ina Bohse zu. Dennoch ist sie der Meinung, dass gute Journalisten es schaffen, sich die für sie interessanten Aspekte herauszupicken. Auch für die freie Journalistin Mona Contzen ist eine gute Geschichte machbar: „Hier und da hat man immer ein paar Stunden Zeit für eigene Recherchen.“ Tatjana Thimm lehrt an den Universität Konstanz und hat zum Thema Reisejournalismus bereits Fachliteratur veröffentlicht. Ihrer Meinung nach kann Reisejournalismus gar nicht objektiv sein. „Aber darum geht es auch nicht. Es geht nur um eine gute Geschichte.“ Und ohne zahlungswillige Reiseveranstalter – keine Geschichte. Max Barbera ist sich sicher: „Wenn ein Journalist eine Woche mit einer schönen Yacht in der Karibik herumfährt und jeden Abend woanders ist und neue Leute kennenlernt ,dann kann er da auf jeden Fall eine coole Geschichte draus machen.“
Über die Autorin:
Hannah Heinzinger, geboren 1993, kommt aus München, kam durch ein Praktikum beim Radio zum Journalismus und studiert seit 2012 an der Katholischen Universität Eichstätt Journalistik mit Schwerpunkt Literatur und Kultur. Einladungen zu formidablen Pressereisen hat sie bisher nicht erhalten, geschweige denn angenommen.
Kontakt: Hannah.Heinzinger (att) gmx.de
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