Recherche-Journalismus & Photographie

 

Werkstatt Recherche mit Journalistik-StudentInnen 2014

 

"Eng kooperieren" weil

"von Natur aus befangen"

 

Erstaunlich offen spricht ein Abgeordneter aus dem Verteidigungsausschuss, der namentlich nicht genannt werden will, über das Verhältniss von Politikern zur Rüstungsindustrie. Wie hilfreich sind solche Netzwerke?

 

Von Daniela Preis (© September 2014)

 

Berlin, 8.12.2010, 12 Uhr. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der algerische Präsident, Abdelaziz Bouteflika, treffen sich zum Mittagessen. Es gehe um bilaterale Beziehungen der beiden Länder heißt es in Merkels Terminkalender. Erst Monate später wird sich herausstellen, wie viel Brisanz tatsächlich hinter diesem Treffen steckt. Es ging um einen Milliardenauftrag an das Rüstungsunternehmen Rheinmetall...

Denn mit am Tisch saß Klaus Eberhardt, damaliger Chef des Düsseldorfer Rüstungskonzerns Rheinmetall. Seit etwa elf Jahren leitet er das Unternehmen, das jedes Jahr Umsätze in Milliardenhöhe mit Waffengeschäften erzielt. Nach diesem Mittagessen erhält Rheinmetall laut Berichten des Handelsblattes einen Auftrag über die Lieferung von 980 Fuchs-Panzern nach Algerien. Ein Geschäft im Gesamtvolumen von 2,7 Milliarden Euro, für das der Rüstungskonzern die Genehmigung der Bundesregierung braucht. Zufall, oder ein gut gepflegtes Netzwerk der Rüstungsindustrie zur Bundesregierung? 

Deutschland ist nach den USA und Russland der drittgrößte Waffenexporteur laut einem Ranking des internationalen Friedensforschungsinstituts SIPRI aus dem Jahr 2013. Immer wieder fallen die Namen bekannter deutscher Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, Heckler & Koch oder Krauss-Maffei Wegmann in den Medien im Zusammenhang mit größeren Parteispenden und anschließenden Genehmigungen für Waffenexporte in Länder, deren Menschenrechtslage bedenklich ist. Laut dem Internetportal abgeordnetenwatch.de spendeten unter anderem diese Konzerne zwischen 1996 und 2009 insgesamt über eine Million Euro an CDU/CSU, SPD und FDP. Heckler & Koch geriet laut einem Bericht des Focus in den Verdacht, durch solche Spenden eine Genehmigung für einen Waffenexport nach Mexiko erreichen zu wollen. 

 

Zur Liste Rüstungsspenden an die Parteien 1996 - 2009 Quelle: abgeordnetenwatch.de

 

 

Nicht nur finanziell können die Konzerne auf Politiker Einfluss nehmen. Auch auf Auslandsreisen und bei Treffen mit ausländischen Politikern im Inland wird die Bundeskanzlerin von Vertretern der deutschen Wirtschaft begleitet, also auch von Vertretern der Rüstungsindustrie. Das sei nichts Ungewöhnliches, sondern die Regel, konstatiert die Bundesregierung in einer Anfrage der Fraktion Die Linke aus dem Jahr 2012.

Das wirft die Frage auf, ob Abgeordnete und Regierungsvertreter wirklich nur nach ihrem eigenen Gewissen entscheiden, unabhängig von Aufträgen und Weisungen, wie es in Artikel 38 des Grundgesetzes festgeschrieben ist.

Christian Müller* von der CDU/CSU ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und möchte nicht namentlich genannt werden (*deshalb Name geändert). Er bestätigt, dass sich Vertreter der Politik und der Rüstungsindustrie kennen und auf Veranstaltungen treffen. Er sagt, Politiker seien „parteiisch“ und „von Natur aus immer befangen“, da sie Interessenvertreter seien und eine inhaltliche Position voranbringen wollten. Er könne „nicht ausschließen, dass andere Abgeordnete mit bestimmten Firmen eher eng kooperieren.“ 

Bei Rüstungsexporten darf der Verteidigungsausschuss aber nicht mitreden. Über diese entscheidet allein der Bundessicherheitsrat, dem nur Regierungsvertreter angehören. Neben der Bundeskanzlerin sitzen darin verschiedene Minister, wie etwa des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, der Verteidigung, des Inneren oder der Justiz. Geheim und hinter verschlossenen Türen. Kein Wort über die Tagesordnung dringt an die Öffentlichkeit. Der Bundessicherheitsrat beschloss auch die Genehmigung für den Waffenexport nach Algerien. Ein Land, das nach langen Jahren des Bürgerkrieges in den 1990er Jahren immer noch mit Extremisten zu kämpfen hat und dessen Menschenrechtslage laut Amnesty International weiterhin bedenklich ist. Schwere Menschenrechtsvergehen werden dort oft nicht einmal bestraft.

Agnieszka Brugger, Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung der Partei Bündnis 90/Die Grünen, wirft der Bundesregierung in einer Pressemitteilung vor, die Menschenrechte bei dem Panzerdeal mit Algerien bewusst nicht beachtet zu haben. „Mit diesem Geschäft ermöglicht die Bundesregierung erstmals einem autoritären, vom Militär dominierten Regime mit höchstproblematischer Menschenrechtslage Panzer selbst zu produzieren“, heißt es in der Mitteilung. Das widerspreche den deutschen Rüstungsexportrichtlinien. 

Diese besagen nämlich, dass die Menschenrechtslage im Empfängerstaat der Exporte ein entscheidendes Kriterium ist. In der Bundestagssitzung vom 22. Mai 2014 zitiert Brugger aus diesen Richtlinien sinngemäß, dass Waffenexporte in Staaten wie Algerien, die weder der EU noch der NATO angehören, nur mit besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründen zu rechtfertigen seien. Nach Angaben des auswärtigen Amtes sind „die politischen Beziehungen zwischen Algerien und Deutschland (…) traditionell gut und freundschaftlich“, trotz der bedenklichen Menschenrechtslage in dem nordafrikanischen Land. Diplomatische Kontakte seien selbst in Krisenzeiten aufrecht erhalten worden.

Beispiel Libyen, 2011. Zerstörte Häuser, blutende Kinder, Menschen rennen schreiend durch die Straßen. Das Land leidet unter dem Bürgerkrieg. Mitten drin: Das deutsche G36 Gewehr, produziert von Heckler & Koch. Sowohl der Sohn des damaligen Diktators Gaddafi sowie Rebellen, halten stolz das Gewehr in die Kamera, wie auf einem YouTube-Video zu sehen ist. Wie das deutsche Gewehr dort hingekommen ist, wurde nie endgültig geklärt. Vermutlich war es nach einem (genehmigten) Deal mit Ägypten von dort illegal weitergegeben worden.

Waffenlieferungen nach Libyen wurden von der Bundesregierung jedoch nicht genehmigt. Die Länder, in die die Waffen exportiert werden, müssen zwar eine Endverbleibserklärung unterschreiben, dass sie die Waffen nicht weiterverkaufen. Ob sich die Länder wirklich daran halten, wird jedoch nicht kontrolliert. „Es ist richtig, dass es in der Vergangenheit immer mal wieder Probleme mit Endverbleibszertifikaten gegeben hat“, bestätigt Christian Müller. Besonders bei Kleinwaffen sei das der Fall gewesen. Eine gewisse Kontrolle könne man nur bei komplexeren Systemen wie Panzern ausüben, da diese immer mal wieder Ersatzteile benötigten. Kann Algerien vor diesem Hintergrund ein seriöser Geschäftspartner sein?

 

 

Dr. Joachim Pfeiffer von der CDU/CSU und stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss, sagt in der Bundestagssitzung vom 22.Mai 2014, es sei aus seiner Sicht „scheinheilig, verlogen und unlogisch“ Waffen nicht in Krisengebiete zu exportieren. (Link zum Bundestagsvideo, Zitat ab 00:07:56) Minensuchgeräte beispielsweise müssten dort eingesetzt werden, wo es Minen gebe. „Also muss ich sie in Krisengebiete oder ehemalige Krisengebiete liefern“, erklärt Pfeiffer. Rainer Arnold (SPD), Obmann im Verteidigungsausschuss,  argumentiert, Deutschland müsse seine nationale Sicherheit und nationale Souveränität gewährleisten. Sehr ähnlich klingen die Worte des ehemaligen Rheinmetall-Chefs Klaus Eberhardt, der in einem Interview mit RP.online erklärt: „Rheinmetall bietet mit seinen Produkten Schutz und Sicherheit für Menschen und Länder.“ Die Politik und die Rüstungsunternehmen scheinen sich einig zu sein. Und so wird es auch zukünftig Mittagessen mit Staatspräsidenten und Firmenchefs geben und umstrittene Waffendeals mit Krisenländern. Hinter verschlossenen Türen, wo nichts nach außen dringt.

 

 

über die Autorin:


Daniela Preis, geboren 1993, studiert seit 2013 Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt. Praktische Erfahrungen hat sie beim Eichstätter Kurier gesammelt. Sie organisiert jedes Jahr mit KommilitonInnen  an ihrer Uni den "Dialogue on Sustainability", die größte studentische Nachhaltigkeitskonferenz im deutschsprachigen Raum.

 

kontakt: preis.daniela (att) googlemail.com

 

 

 

 

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