Aktualisiert 22. September 2012
    Milliardenpleite und  (noch) niemand ist schuld
    Zwei  Exvorstände der Göttinger Gruppe sind jetzt wegen Betrugs zu 4500 Euro  Geldstrafe verurteilt worden. Sie hatten für den gößten Anlageskandal  der Nachkriegsgeschichte gesorgt. Die Gruppe versprach hundertausenden  von Anlegern eine "Securente", doch wer sich darauf einließ, verlor fast  alles. 2005 gingen die Göttinger pleite. Eine Milliarde Euro sind  futsch. Im aktuellen Urteil ging es nicht um die Milliardenstory,  sondern um einen Fonds, für den sich in Hochglanzprospekten der frühere  Verteidigungsminister Rupert Scholz hatte einspannen lassen.  Ein Rückblick...   ___________________________________________________________________  |  
     Gut gezockt   von Meinrad Heck (Februar 2012)
    Beim  VfB Stuttgart durfte die Göttinger Gruppe 1997 Sponsor sein. Das hatte  sie groß und salonfähig gemacht. Viel Politprominenz hatte sich  einspannen lassen. Danach sorgten die Göttinger Finanzhaie für den  größten Anlageskandal der Republik. Der Fall mit 100 000 Geschädigten,  einer Milliarde Euro Schaden und vielen Wurzeln im Schwäbischen  beschäftigt bis heute die Gerichte. 
    Der  wackere schwäbische Kripomann hatte den Skandal geahnt. Schon damals,  kurz vor der Jahrtausendwende, als 100 000 Kleinanleger in der ganzen  Republik begannen, um ihr Geld zu fürchten, das sie bei dubiosen  Finanzhaien aus Niedersachsen geparkt hatten. Eine gewisse Göttinger  Gruppe hatte über Jahrzehnte kleinen Leuten ein kompliziertes  Finanzkonstrukt als Steuersparmodell mit dem sehr einfachen Namen  "SecuRente" angedreht. Das hatte nach Sicherheit und Altersvorsorge  geklungen. Der Kripomann aus Stuttgart aber hatte die skandalöse  Geldmaschine durchschaut. Doch die niedersächsische Justiz hatte ihn  ausgebremst. Legendär, aber dubios Solche  Sprüche von Sicherheit und Altersvorsorge waren seinerzeit nach dem  Geschmack der großen Politik, welche diesen kleinen Leuten damals zur  privaten Rente geraten hatte, weil die staatliche knapp zu werden  schien (siehe Video ausgestrahlt in "Phoenix" zum Thema "Rentenangst" mit kritischenb Bemerkungen von Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm, CDU).      Das hatte Finanzhaien die Türen in die Wohnzimmer von Lieschen  Müller und Otto Normalverbraucher geöffnet. Ein Milliardenmarkt war  erschlossen, und er spülte diese Milliarden in die Kassen dubioser  Finanzvermittler. Die ersten, die größten und die legendärsten waren bis  zu ihrem Zusammenbruch 2007 die Mitglieder dieser Göttinger Gruppe um  einen Rechtsanwalt namens Jürgen Rinnewitz. Über 20 Jahre lang wehrten  sie sich erfolgreich gegen Vorwürfe, ein Schneeballsystem zu betreiben  und Altanlegern ihre Rente nur mit dem Geld immer neuer Kunden  auszuzahlen. Tatsächlich  hatten sie bis zum großen Crash im Jahr 2007 genau das getan. Und  vieles davon spielte sich in Baden-Württemberg ab. Als diese Göttinger  noch groß und unantastbar gewesen waren, hatten sie sich 1997 für viele  Millionen als Sponsor beim VfB Stuttgart eingekauft und sich kurz danach  eine marode Privatbank im tauberfränkischen Bad Mergentheim unter den  Nagel gerissen, um mit einer offiziellen Banklizenz endlich richtige  Geldgeschäfte machen zu können. Bei dieser Bank war nicht alles mit  rechten Dingen zugegangen. Das hatte einen Stuttgarter Staatsanwalt  alarmiert, und in dessen Auftrag hatte jener wackere schwäbische  Kripomann namens Michael Reizel gegen diese Bank und ihre neuen  Eigentümer aus Göttingen ermittelt. Niedersächsische Justiz bremte Stuttgarter Kripo aus Der  heute pensionierte Beamte wäre seinerzeit im Jahr 2000 am liebsten mit  einem Durchsuchungstrupp des Bundeskriminalamts nach Göttingen  marschiert und hätte die dubiosen Finanzmenschen in ihrer Firmenzentrale  mitsamt ihrem Schneeballsystem zuerst unter die Lupe und dann nach  allen Regeln kriminalistischer Kunst auseinandergenommen. Das hätte  tatsächlich einigen zehntausend Menschen zig Millionen Schaden erspart,  wenn die niedersächsische Justiz diesen Kripomann nicht kaltgestellt  hätte. Aber in Hannover hatten sie den renitenten Beamten ausgebremst.  Und auch seine vielen Anzeigen wegen Strafvereitelung gegen solch  "ignorante" Staatsanwälte waren im Sand verlaufen. Noch weitere sieben  Jahre würde die Göttinger Gruppe bis zu ihrem Zusammenbruch kleinen  Anlegern das Geld aus der Tasche ziehen dürfen. Nur  etwas vorsichtiger waren sie danach geworden. Weil die schwäbischen  Untersuchungen, auch wenn sie erfolglos geblieben waren, ihren Ruf  angekratzt hatten und ihr Stern zu sinken begann. Der jenes  Rechtsanwalts und Mitbegründers des Unternehmens namens Jürgen Rinnewitz  vor allem. Dem Mann war es immerhin über viele Jahre gelungen, sich mit  einem Bundeskanzler Helmut Kohl, Außenminister Hand-Dietrich Genscher,  mit Ministerpräsident Lothar Späth oder dem VfB Stuttgart unter dessen  Übervater Gerhard Mayer-Vorfelder im Gefolge salonfähig zu machen. Aber  offen wollte bald niemand mehr mit dem Advokat Geschäfte machen, nur  verdeckt. Und auch da würde die Politprominenz wieder sehr hilfreich  sein.        "Master  Star Fund", das klang fantastisch. 200 Millionen Euro wollte dieser  Fonds 2004 wieder von Kleinanlegern einsammeln. Geködert wurden sie mit  den flotten und außerordentlich seriös klingenden Sprüchen eines  gewissen Prof. Dr. Rupert Scholz, der in seinen besseren Jahren  kurzzeitig als Verteidigungsminister hatte dienen dürfen. Scholz  posierte für einen Hochglanzprospekt (Foto oben) vor holzvertäfeltem  Ambiente unter einem Kristalllüster. Er positionierte sich als Beirat  einer Portfolio-Gesellschaft und brachte solche Sätze über die Lippen  wie: "Erst nach einer genauen Prüfung der Strukturen und der Personen  habe ich meine persönliche Mitwirkung und Unterstützung zugesagt." Das  sollte ihm im November 2011 vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe zum  Verhängnis werden. Denn  welche Personen wollte er da vermeintlich "genau geprüft" haben?  Tatsächlich steckte hinter diesem legendär gewordenen sogenannten  Politikerfonds klammheimlich jener Jürgen Rinnewitz aus Göttingen. In  einem Geheimvertrag beauftragte ihn ein Tarnunternehmen namens Sales  Product Services GmbH (SPS) – so wörtlich – mit der "rechtlichen  Konzeption" und der "Vorlage eines Emissionsprospektes" für den  geplanten Politikerfonds namens Master Star Fund. Als Honorar sollte  Rechtsanwalt Rinnewitz 244 000 Euro plus Mehrwertsteuer erhalten. Dass  solche dubiose Gestalten hinter dem Produkt steckten, war riskant. Und  über dieses Risiko hätten Anleger aufgeklärt werden müssen. Wurden sie  aber nicht. 6957 Investoren zeichneten das Kapital von 200 Millionen  Euro, zahlten schon mal 43 Millionen Euro tatsächlich ein. Davon  verschwanden 33 Millionen schnurstracks als Provision in den Taschen  zweifelhafter Vermögensberater. Wenig später schloss die behördliche  Finanzdienstleistungsaufsicht den Fonds wegen verbotener Bankgeschäfte,  und das Geld war futsch. Rupert Scholz hatte den Beirat schon Monate  zuvor verlassen. Und dennoch sollte ihn der Fall nicht loslassen. Rupert  Scholz, Jurist und Professor für Finanzrecht, hatte wenig später auf  Umwegen in Baden-Württemberg angedockt. Die im Musterländle über Jahre  bis in die Spitze der Landesregierung hinein exzellent vernetzte  Rechtsanwaltskanzlei Gleiss Lutz aus Stuttgart hatte ihn für ihr  Berliner Büro als "Of Counsel", eine Art Berater, angeheuert. Der Mann  war und ist wertvoll, vor allem sein Name und sein Adressbuch. Denn, so  Gleiss Lutz in einer Mitteilung, "als ehemaliges Mitglied der  Bundesregierung verfügt Rupert Scholz über hervorragende Kontakte in die  Politik". Bundesgerichtshof urteilt gegen  Exverteidigungsminister Ende  2011 kümmerte sich, peinlich für Scholz, der Bundesgerichtshof um  diesen früheren Verteidigungsminister. Im Zusammenhang mit jenem  Politikerfonds und der Göttinger Gruppe war Scholz von einem Anleger auf  Schadenersatz verklagt worden. Der Fall wanderte über Jahre durch  sämtliche Instanzen. Ein baden-württembergisches Landgericht verdonnerte  ihn zu Schadenersatz, die nächste Instanz im Oberlandesgericht  entlastete ihn. Seine so vertrauenerweckenden Erklärungen über "genaue  Prüfungen", urteilte das OLG, seien lediglich eine "erkennbar  reklamehafte Anpreisung" des Fonds, versehen mit "allgemeinen blumigen  Ausführungen" gewesen. Der Bundesgerichtshof machte vor wenigen Monaten  diesem Spuk ein Ende. Nach  diesem fast druckfrischen Urteil des BGH "zur Verantwortlichkeit eines  früheren Spitzenpolitikers und Inhabers eines Lehrstuhls unter anderem  für Finanzrecht" (AZ: III ZR 103/10 ) wird Rupert Scholz mit seinen  früheren Äußerungen in die sogenannte Prospekthaftung genommen. Nach  diesem höchstrichterlichen Urteil drohen ihm hohe  Schadenersatzforderungen. Der Wirtschaftskrimi um die Göttinger Gruppe  mit Auswirkungen bis nach Baden-Württemberg hatte vor über 20 Jahren  begonnen. Abgeschlossen ist dieser Skandal bis heute nicht. Das Urteil  gegen Rupert Scholz war nur ein Etappensieg für vorerst einen  geschädigten Anleger im Umfeld dieser bankrotten Finanzhaie.    Im  September 2012 wurden Jürgen Rinnewitz und ein weiteres  Exvororstandsmitglied wegen Kapitalanlagebetrugs im Umfeld des Fonds zu  4500 Euro Geldstrafe (siehe Manager Magazin vom 21.9.2012) verurteilt.      
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