Recherche-Journalismus & Photographie

 

 

 

Aus unserer Werkstatt-Recherche "Lobbyismus"  (Aug/Sept 2013):

 

Im Zweitberuf Abgeordneter

 

Viele Mitglieder des alten Bundestages verdien(t)en sich nebenbei ihr Geld durch Vorträge

 

Von Theresa Leberle (Journalistik-Studentin der Universität Eichstätt)

 

Sudan und Syrien - auf den ersten Blick haben diese beiden Länder nicht viel mit Deutschland gemein; auf den Zweiten schon. Deutschland hat - so wie der Sudan und Syrien - die UN-Konvention gegen Korruption noch nicht in Kraft gesetzt. Vor zehn Jahren ist diese verabschiedet worden. Horst Seehofer hat sich nun noch kurz vor der Bundestagswahl für ein Inkrafttreten der Konvention ausgesprochen. Auch was Gesetze gegen Korruption in politischen Gremien betrifft, liegt Deutschland in seiner Entwicklung zurück. Ein solcher Gesetzesentwurf der Opposition ist vor kurzem im alten Bundestag gescheitert. Einer der gegen diesen Gesetzesentwurf gestimmt hat, war Dr. Rolf Koschorrek.

 

Koschorrek ist Bundestagsabgeordneter der CDU und Mitglied des Gesundheitsauschusses. In den vergangenen drei Jahren hat der Politiker für die unterschiedlichsten Unternehmen, vor allem aus der Gesundheitsbranche, Vorträge gehalten, Jurorenarbeit geleistet oder Veranstaltungen moderiert. Die Pharmakonzerne Novartis, Pfizer Pharma und Schwarz Pharma sind nur drei Beispiele aus einer Liste mit mehr als 30 Unternehmen.

 

„Haemato Pharm AG, Schönefeld, Beratung, 2012, Stufe 1“- So steht es auf der Internetseite des Bundestages. Zu jedem Abgeordneten sind dort Angaben zu finden, für welche Unternehmen, Verbände und Vereine er tätig war und ist. Im oben genannten Beispiel bedeutet Stufe eins, dass Koschorrek für seine Beratung der Haemato Pharm AG 1000 bis 3500 Euro erhalten hat. Doch wie sieht die Beratung eines solchen Unternehmens aus? Dr. Rolf Koschorrek meint dazu: „Ich bin in Beiräten tätig. Ich habe Vorträge gehalten und nicht beraten.“ Das Wort Beratung taucht aber zum Beispiel bei den Firmen Cognomed und MSD Deutschland auf.

 

„Der Begriff des Lobbyismus kann enger und weiter gefasst werden“, erklärt der Lobbyismus-Experte Dr. Rudolf Speth. „Weit gefasst ist eine Interessensgemeinschaft, die Interessen durchsetzen will, gemeint.“ Im engeren Sinne gebe es eine wertende Dimension, definiert der Privatdozent. Es komme darauf an, „seine Interessen im politischen Prozess optimal durchzusetzen.“ Dies könne schon mal auf Kosten anderer gehen.

 

Lars Friedrich Lindemann ist FDP-Bundestagsabgeordneter und ebenfalls Mitglied des Gesundheitsauschusses. Daneben ist der Rechtsanwalt auch Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands der Fachärzte Deutschland (SpiFa). „Ziel des SpiFa als Facharztverband ist die Darstellung der übergeordneten Interessen der Fachärzte sowie deren politische Durchsetzung.“ Mit diesen Worten beschreibt der Verband seine Tätigkeiten auf seiner Internetseite. Doch geraten die Politiker durch ihre Nebentätigkeiten in einen Konflikt, wenn es darum geht objektive Entscheidungen in den Gremien des Bundestages zu treffen? „Nein, das hat mit den politischen Entscheidungen nichts zu tun“, meint Bundestagsabgeordneter Dr. Rolf Koschorrek. „Das sind Ehrenämter, die mit der politischen Arbeit nichts zu tun haben.“ Bis zu 7000 Euro monatlich verdient Koschorrek mit seinem „Ehrenamt“ als Präsident des Bundesverbands der freien Berufe. Lindemann als Hauptgeschäftsführer der SpiFa erhält eine ähnliche Summe.

 

„Es gibt sehr viele Verbände in Deutschland, die im Bereich Gesundheit tätig sind“, erklärt Lobbyismus-Experte Dr. Rudolf Speth. Ein Beispiel dafür sind die Krankenversicherungen. Als weiteren Sektor beschreibt Speth den Arzneimittelmarkt. „Hier geht es um Marktgesetze und um Pharmakonzerne.“ Der dritte Bereich sei der Pflegesektor.

 

Nicht nur einzelne Politiker werden für ihre Nebentätigkeiten bei Unternehmen bezahlt, auch Parteien erhalten immer wieder Spenden; darunter auch Unternehmen aus dem Bereich Gesundheit. Das Pharmaunternehmen Pfizer Deutschland GmbH spendete beispielsweise im Jahr 2002 einen Betrag in Höhe von 35.000 Euro an die FDP. 2005 erhielt die CDU 100.000 Euro, die FDP 35.000 Euro und die SPD 16.000 Euro. Sowohl im Jahr 2002, als auch 2005 fanden im Herbst die Bundestagswahlen statt.

 

Dr. Rolf Koschorrek wird nach der Bundestagswahl im September seinen Wahlkreis Steinburg – Dithmarschen-Süd nicht mehr im Bundestag vertreten. Die Abwesenheit Koschorreks im eigenen Wahlkreis und die vielen Nebentätigkeiten hätten „das Fass zum Überlaufen gebracht“. So zitierte das Hamburger Abendblatt den CDU-Kreisverbandsvorsitzenden in Steinburg, Heiner Rickers, im vergangenen November. „Von den Nebentätigkeiten von Herrn Koschorrek habe ich vergangene Woche aus der Zeitung erfahren“, meint Hans-Heinrich Barnick, stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU in Steinburg. „Wir haben uns nicht gegen Herrn Korschorrek entschieden, sondern für den neuen Kandidaten“, führt er weiter aus. Seine Kollegin Brigitte Engelbrecht, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende, sagt dazu: „Das sind Interna. Die CDU fährt da eine klare Linie und wir geben keine Auskunft.“

 

Koschorrek selbst sagt dazu: „Der Gegenkandidat hatte eine größeren Wahlkreis hinter sich.“ Was seine berufliche Zukunft angeht, möchte der Zahnarzt keine Pläne offenlegen. „Meine berufliche Zukunft geht alleine mich und meine Familie etwas an.“

 

 

Zur Autorin:

Theresa Leberle studiert Journalistik an der Universität Eichstätt. Ihr Text ist Ergebnis eines Rechercheseminars, das Meinrad Heck (edition-zeitlupe) im Rahmen einer Werkstatt Recherche im August 2013 an der Universität geleitet hat

 

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